„Public Relations is the Future of Marketing“ – vielleicht!
Es klang so schön und anfangs auch so plausibel, …
was Online-Marketing-Papst Rand Fishkin hier schrieb: „Unpopular Opinion: Public Relations is the Future of Marketing”.
Das ging runter wie feinstes Trüffelöl für eine Branche, dessen Zukunftsaussichten angesichts des ständigen Rückgangs des Konsums klassischer Medien einerseits und des Shifts zu messbarem Performance Marketing andererseits arg ungewiss aussahen.
Fishkin argumentiert, dass zwar der Konsum traditioneller Medien abnähme, aber dass die Menschen generell immer mehr Zeit mit Medien verbrächten – und diese wären schließlich von Reddit über Google News bis zu Podcasts alle über PR erreichbar. Und die großen KI-Chatbots? Diese würden besonders verlässliche Quellen für ihre Antworten berücksichtigen, und das wären nun mal etablierte Medien. PR hätte quasi einen Reichweitenboost: einmal die Medienberichterstattung und als gratis Verlängerung noch die Chatbot-Ergebnisse.
Aber stimmt das? Zumindest für DACH-PR habe ich große Zweifel: Gerade einmal 1,2 Prozent der Texte, mit denen ChatGPT trainiert wurde, sind deutsch. Welches die wichtigsten deutschsprachigen Quellen sind, lässt OpenAI unklar. Und es gibt nur eine einzige Content-Partnerschaft mit einem hiesigen Verlag: Axel Springer.
Wenn ich mir die deutschen Quellen der Google KI für AI Overviews anschaue, die der Sistrix-Gründer Johannes Beus veröffentlicht hat, wachsen meine Zweifel: Unter den Top 50 Internet-Quellen ist nicht eine einzige, die wir als Tech-/Business-Agentur regelmäßig adressieren. Kein Handelsblatt, keine FAZ, kein Spiegel, keine Süddeutsche, keine dpa und auch kein Heise, kein Golem, keine t3n, keine IT-Business.
Von rund der Hälfte der Sites, die Google heranzieht, hatte ich noch nie gehört. Natürlich ist Google selbst dabei und Wikipedia, Amazon, Youtube, Statista – aber auch msdmanuals.com (Rang 4), gelenk-klinik.de (16), lumedis.de (19) und plantura.garden (37). Für PR zugänglich sind nur etwa 5 der Top 50, weil nur so wenige mit journalistischen Redaktionen arbeiten. Wen kann man bei obi.de, dm.de, apple.com pitchen? So banal, wie es Fishkin hinstellt, ist die automatische Chatbot-PR also nicht.
Und da ist noch ein Punkt, weshalb wir unsere Kunden nicht über Reichweitenverluste bei Medien mit Gewinnen bei Chatbots hinwegtrösten können: PR hat ja eh die Erbsünde der schwächelnden Messbarkeit der Erfolge – vollkommen intransparent werden Zusammenhänge unserer Aktivität mit der Sichtbarkeit auf LLMs. Die Grey Box der PR trifft auf die Black Box der KI.
Ich warte nur darauf, dass ich zum ersten Mal diese Kundenanfrage höre: „Immer wenn jemand bei ChatGPT nach „Cloud“ fragt, soll mein Unternehmen genannt werden.“
Ist also PR die Zukunft des Marketings? Nein. Unser Job wird mit Sicherheit noch vielfältiger. Was für ein Glück immerhin, dass wir ein bisschen was von Technologie verstehen und damit den rasanten Entwicklungen nicht ganz ahnungslos ausgeliefert sind. Ich mag mir gar nicht ausmalen, wie sich Agenturen fühlen, die auf PR für Dachziegel oder Schminkspiegel spezialisiert sind.