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3 Typen, 3 Stile, 3 Jacken – Beobachtungen zu den Global Conferences


Das Thema Social Media ist heiss, keine Frage. So war es auch nicht verwunderlich, dass auf den diesjährigen Global Conferences der Cebit auch zu diesem Thema gesprochen und diskutiert wurde. Im Vorfeld wurde uns, meiner Kollegin Kathi und mir, von den Vorträgen eher abgeraten; das sei sicher fade und nicht am ‚Puls der Zeit’. Was tatsächlich eher statisch mit zwei schon fast im Dauerlauf vorgetragenen Vorträgen, u.a. vom CEO von Xing, begann, steigerte sich jedoch merklich. Hier Kathis und meine Beobachtungen.


Als erstes Highlight erwies sich die Keynote von Crazy Entertainer Chris Pirillo, der laut Programmheft als „Internet Celebrity & Gründer von lockergnome.com“ – „a blogging network for people who are curious about the world around them“ – angekündigt wurde. Und auch wenn sein braunes Cord-Jackett schon fast Show-Geek-Charakter hatte, nahm man ihm seine Leidenschaft in seinem doch teils recht philosophischen Vortrag über die Community zu 100% ab. Pirillo zog auf der Bühne das volle Entertainment-Programm durch, locker, amerikanisch unterhaltend, ein bisschen wie Popcorn-Kino. Er brach eine Lanze für kostenlose Inhalte, zeigte die unüberschaubare Anzahl von Apps auf seinem iPhone, wetterte gegen „Trolle“ und forderte von seinem Publikum vor allen Dingen eins ein: die Leidenschaft, mit der er selbst Social Media lebt. Denn wo er Recht hat, hat er Recht: Communities cannot be built – they have to grow.

Nach Pirillos Unterhaltungsprogramm stand Jeremy Stoppelman, CEO und Mitbegründer von Yelp, dem lokalen Vergleichsportal für Restaurants, Ärzte und andere Dienstleister, auf der Showbühne.  Yelp ist als Gegenstück zu Qype mittlerweile auch hierzulande ein Begriff, zumal die Europaaktivitäten gerade erst kürzlich auf Frankreich, Großbritannien und Deutschland ausgeweitet wurden. Abgesehen davon, dass das ursprünglich aus San Francisco stammende Portal sehr erfolgreich ist, kontinuierlich wächst und  weltweit monatlich bereits über 46 Mio. User in 42 Städten hat: Mit dem Auftritt von Stoppelman hatten wir endlich mal die Gelegenheit, einen waschechten US-Startup-Entrepreneur/Millionär in Aktion zu erleben: smart, perfekt gestylter Haarschnitt, top vorbereitet, Zahlen, Grafiken, und Präsentation stimmten. So macht man Karriere, doch wo war da bitte die Leidenschaft? Wir dachten, im Startup-Land USA geht es ein wenig verrückter zur Sache. Bierernst, aber stets bemüht entspannt, rannte Stoppelman mit souveränen Gesten durch seine Powerpoint-Präsentation, in der mindestens 2x das Gesicht von Steve Jobs auftauchte, der Yelp während einem seiner zahllosen Vorträge ausführlich lobte. Und dann wollte der smarte CEO dem mehr oder weniger geneigten Publikum auch noch seine ‚Yelp Deals’-Kampagne als völlige Neuheit verkaufen. Groupon lässt grüßen. Ob er uns Deutsche als Hinterwäldler abtut oder wirklich von der Relevanz und Neuheit seiner Idee überzeugt ist, blieb unbeantwortet: Wir jedenfalls waren ob der Werbemessage „schaut her, wir können was“ leicht peinlich berührt.

Wie sagt man doch so schön: Das Beste kommt zum Schluss – und da kam Peter Sunde Kolmisoppi, Mitbegründer der Bit Torrent Plattform The Pirate Bay und dem Social Micropayments-Dienst Flattr und Held der Hackerszene, der seinen Vortrag in quietschgrünen Turnschuhen, ohne Sakko,mit Joggingjacke und PETA Vegetarian T-Shirt in gewohnt skandinavischer Selbstironie abhielt. Er führte das Publikum zunächst durch die Geschichte des Kopierens und vermeintlichen Klauens. Die Betonung lag natürlich auf „vermeintlich“. Seine These lässt sich einfach zusammenfassen: Immer wenn etwas Neues erfunden wurde, wie etwa der Tonfilm, das Radio, die Kassette oder die CD, profitierten die ‚älteren’ Modelle davon, anstatt unterzugehen. Passenderweise heißt auch sein Blog Copy me happy. Auch wenn man sich teilweise schon fragte, wann er denn nun auf Flattr zu Sprechen kommt (was er dann gegen Ende und  für ca. fünf Minuten tat), war sein chronologischer Abriss zu seiner Pirate Bay-Vergangenheit sehr spannend –  The Spirit of Anarchy eben. Durch eine aufschlussreiche Schlusspräsentation dürften dann auch diejenigen CeBIT-Besucher Flattr verstanden haben, die eher außerhalb der Blogosphäre verortet sind. Nach Kolmisoppis Meinung sei Flattr übrigens nicht DAS ultimative Konzept, um Inhalte zu monetarisieren.  Philosophisch geleitet sieht er das Konzept des Social Micropayment-Portals eher als Beginn einer Revolution des Umdenkens in der Community – wo wir wieder bei Pirillo und seiner „growing community“ wären, denn nur aus der Community heraus können solche Umdenkprozesse funktionieren. Werden sie von der Wirtschaft wie beispielsweise der Musikindustrie oktroyiert, ist die einzige logische Konsequenz der Boykott. Viva La Revolución, Che, ….äääh…Peter!  Übrigens: mit den Masterminds von Flattr kann man auch über die sogenannte ‚Schneckenpost’ in Kontakt treten – für all diejenigen, die denselben subversiven Spirit wie Kolmisoppi & Co. atmen genau das Richtige!

Aufgrund eines Kamera-Malheurs können wir leider nicht mit selbst geschossenen Fotos vom Event dienen – deswegen sei an dieser Stelle auf den Livestream (und da vor allem auf Pirillos und Kolmisoppis Keynotes) verwiesen.

(Fotos von Pirillo & Kolmisoppi: Wikipedia; Stoppelman: eigener Blog)


Über Alumni Fisch

Artikel unserer ehemaligen Kolleginnen und Kollegen. Danke für die tolle Zeit mit Euch!


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