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Warum Elternzeit ein Karriere-Booster sein sollte

, 08.05.2023,

Seit vier Jahren bin ich Mutter, mittlerweile sogar zweifach. Immer wieder lese ich, dass die Elternzeit ein Karriere-Killer ist und es auch gerade für Männer nicht empfehlenswert wäre, Elternzeit zu nehmen. Von der Diskriminierung, die mit einer solchen Aussage einhergeht, da sie meint, dass Männer ohne Elternzeit mehr Karriere machen könnten als Frauen ohne Elternzeit, mal ganz abgesehen, denke ich, dass die Elternzeit insgesamt eher ein Karriere-Booster sein sollte.

Unternehmen sollten sich um Mitarbeiter:innen, die eine Elternzeit nehmen oder genommen haben, reißen. Denn meine Erfahrung hat mir gezeigt, dass ich aus dieser Zeit so viel mitgenommen habe, das meinen Charakter geformt hat. Ich bin der Überzeugung, jetzt eine größere Bereicherung für Unternehmen und Teams zu sein als vorher.

Hier sechs Eigenschaften, die ich in meiner Elternzeit geschärft habe und die mich zu dieser Überzeugung führen:

 

  • Teamfähigkeit & Führungserfahrung

Mit einem kleinen Baby oder sogar zwei Kindern zu Hause ändert sich vieles. Vor allem, aus meiner Sicht, auch das Zusammenleben. Bisherige Routinen werden auf den Kopf gestellt, der eigene Zeitplan um- und den Bedürfnissen eines kleinen Wesens unterworfen. Da muss man gemeinsam an einem Strang ziehen, um sich selbst nicht zu vergessen und den Alltag mit möglichst wenig Stress und umso mehr Freude zu bewältigen.

Das erfordert Kompromisse, Verständnis für den anderen und gemeinsame Absprachen. Wenn das nicht Teamfähigkeit bedeutet, dann wüsste ich nicht, was eine bessere Schule dafür ist. Noch dazu muss ein kleiner Mensch (speziell in seinem ersten Lebensjahr) mit viel Geduld „angelernt” werden. Es beginnt nach und nach. Man nimmt teil daran, wie das eigene Kind sich die Welt immer mehr auf eigenen Beinen selbst erschließt. Es geht darum, jemanden langsam anzuleiten, loszulassen und nicht die Geduld zu verlieren, wenn der Löffel wieder mal am Mund vorbeisegelt und der Boden, die Wand und der Tisch danach voller Tomatensauce sind.

Natürlich ist das Führen von Mitarbeitenden nicht in Gänze damit vergleichbar und auch die emotionale Bindung ist eine andere als die zum eigenen Kind (sollte sie zumindest sein), aber ich sehe viele Parallelen.

Ein ehemaliger Chef sagte bei seiner Kündigung zu mir, dass es immer sein Anliegen war, uns als Team so zu führen, dass wir irgendwann in der Lage wären, eigenständig zu arbeiten und er immer weniger eingreifen müsse. Letztendlich würde er nun, zum Zeitpunkt seines Weggangs, zufrieden feststellen, dass dem so ist und das zeige ihm wiederum, dass er alles richtig gemacht hat. Das ist es, was Führung aus meiner Sicht mit der Erziehung eines Kindes gemeinsam hat.

 

  • Flexibilität

Woran man sich als Eltern wohl gewöhnen muss ist, dass Pläne fast nie so in die Tat umgesetzt werden, wie sie im Vorhinein gedacht waren. Die tollsten Abendessen werden verabredet, Spieldates zu genauen Zeiten vereinbart, Wochenenden durchgeplant. Am Ende ist es vielleicht nur die Windel, die natürlich genau zum Zeitpunkt, als man das Haus verlassen will, so voll ist, dass man das Kind in die Wanne stecken muss, oder das Kind ist beim Spielen eingeschlafen oder plötzlich hat man Sorge, weil das Kind Fieber bekommen hat.

Aber ich habe mich daran gewöhnt. Wir planen flexibler und sehen die Dinge lockerer, weniger verbissen. Wenn es in Strömen regnet, dann eben nicht auf den Spielplatz ohne Möglichkeit zum Unterstellen, sondern doch zu Hause puzzeln oder basteln. Oder in die schicken Regenklamotten geschmissen und los geht’s.

Flexibilität klappt nur, wenn sie auch kommuniziert wird. Mit der oder dem eigenen Partner:in, der Familie (zu der man jetzt zu spät kommt), dem Spieldate (das ganz genau weiß, wie das ist) oder den Freunden (die doch bitte einfach zu einem nach Hause kommen sollen auf ein Glas Wein, anstatt in der fancy Bar einen Cocktail zu trinken).

Flexibilität ist immer und auf allen Ebenen gefragt. Nicht stur an Plänen festhalten, sondern sich darauf einlassen, auch mal alles innerhalb weniger Sekunden umzuschmeißen und die Situation neu zu beurteilen. Und am Ende eine Entscheidung zu treffen, die alle Gegebenheiten berücksichtigt, aber trotzdem Raum für weitere Planänderungen lässt.

 

  • Kreativität

Mit der Flexibilität geht meist auch die Kreativität einher. Wo ein Plan über den Haufen geworfen wurde, muss schnell eine neue, tolle Idee her. Aber nicht nur bei der Ideenfindung ist Kreativität gefragt. Auch die eigene Fantasie wird angeregt, ja regelrecht wiederbelebt.

Plötzlich wird aus Esstisch und Spieldecke eine kuschelige Höhle oder aus Klopapierrollen eine Murmelbahn gebastelt. Die Fantasie der Kinder wirkt dabei ansteckend. Kinder sehen die Welt noch mit ganz anderen Augen, und das ist nicht nur erfrischend, es zeigt einem neue, kreative Wege und Möglichkeiten auf, von denen wir schon ganz vergessen hatten, dass es sie gibt.

 

  • Arbeiten unter Druck

Es gibt keine schlechteren Chefs als hungrige, müde, kranke oder einfach gelangweilte Kleinkinder. Zumindest kann ich von Glück sagen, im Berufsleben noch keine solchen Chefs gehabt zu haben. Kleinkinder wollen entdecken, friemeln und Hupfdohlen sein dürfen.

Hier sind Schnelligkeit wie auch Feingefühl gefragt. Ein Gespür dafür zu entwickeln, wann eine Lage kippen kann und dann zügig eine Lösung zu finden, das ist eine Kunst, die Eltern mit der Zeit immer besser beherrschen. Meistens muss es schnell gehen – Entscheidungen über Essen, Spiele, Ausweichtreffpunkte und Co. werden oft unter Druck getroffen, denn  lange Bedenkzeiten kennt ein Kind nicht.

Improvisationsstärke, Flexibilität und Kreativität sind für Eltern daher immer wichtig und Lektionen, die sie irgendwann bestens beherrschen.

 

  • Verantwortungsbewusstsein

Ein Kind bedeutet Verantwortung. Das ist sicher keine Überraschung. Von einem Moment auf den anderen waren wir nicht mehr nur für uns selbst verantwortlich. Plötzlich war da dieses kleine Wesen, das nicht überlebensfähig gewesen wäre, wenn wir nicht die Verantwortung übernommen hätten.

Vorher tat ich mich häufig schwer damit, Verantwortung zu übernehmen und Entscheidungen zu treffen. Aber mit einem Kind gibt es keine Ausreden, keine Ausflüchte.

Ich musste für mich und meine beiden Kinder Entscheidungen treffen. Natürlich können das auch ganz banale Dinge sein, wie die Frage „Was gibt es zum Abendessen?”. Aber eben auch weitreichende, wie z. B. über die Art der Kinderbetreuung – Kita oder Tagesmutter –, das Impfen, die schulische Laufbahn – Schule X oder doch Schule Y – und viele mehr. Schon jetzt merke ich gerade im Berufsleben, dass mir das Treffen von Entscheidungen leichter fällt und ich auch bereit bin, die Verantwortung dafür zu übernehmen. Ich kann die Risiken und Chancen besser einschätzen und schneller abwägen. Es tut gut, sich sicherer zu fühlen und zu wissen, dass man schon ganz andere Dinge hinbekommen hat.

 

  • Selbstbewusstsein

Und zu guter Letzt: Aus meinen beiden Elternzeiten bin ich unfassbar gestärkt und mit neuem Selbstbewusstsein hervorgegangen. Denn zunächst habe ich es geschafft, zwei Menschen, die nicht für sich selbst sorgen können, am Leben zu halten und dabei sogar noch zum Lächeln zu bringen und sie in ihrer Entwicklung zu unterstützen. Aber nicht nur das verschafft mir Selbstbewusstsein.

Während unserer ersten Elternzeit zum Beispiel wollten wir mit unserem Baby, wie viele andere auch, auf Reisen gehen. Es sollte der Atlantik sein – unserer Meerliebe wegen. Mit einem Säugling geht das nicht, schon gar nicht ständig woanders übernachten und stundenlang im Auto fahren, noch dazu in einem kleinen Fiat 500 eine solche Strecke mit so viel Gepäck und dann noch mit einem Hund, haben sie gesagt. Von allen Seiten wehte uns Gegenwind entgegen und die schlimmsten Szenarien – von Wutanfällen über Streitereien, geplatzten Reifen im Nirgendwo bis hin zu Krankheit und Co. – wurden uns prophezeit.

Und wir? Wir haben es trotzdem gemacht! Haben unseren kleinen Fiat gepackt, das Kind und den Hund auf die Rückbank verfrachtet (gesichert durch Sitz und Gurt natürlich) und sind losgefahren. Mehrere tausend Kilometer bis zur französischen Atlantikküste haben wir zurückgelegt.

Natürlich hatten wir einen gewissen Planungsaufwand im Vorhinein. Aber wir haben es gewagt, und es war die beste Entscheidung unseres Lebens. Wir haben auf unser Bauchgefühl gehört und wurden mit einem tollen Urlaub belohnt. Das Kind hatte wochenlang uns beide für sich und musste unsere Aufmerksamkeit nur mit dem Hund teilen und obendrein kam es mit den wechselnden Orten viel besser klar als wir.

 

EINFACH MAL MACHEN, weniger auf andere, sondern so selbstbewusst sein und auf das eigene Bauchgefühl hören! Das hat uns und unser Vertrauen in uns selbst unglaublich gestärkt.

 

Dies hier ist natürlich keine vollständige Liste der Eigenschaften, die ich für mich als Mutter in der Elternzeit geschärft habe, aber für mich sind es jene, die gerade im beruflichen Alltag viel Einfluss auf meine Arbeit haben. Natürlich können auch Frauen und Männer ohne Kinder im privaten wie beruflichen Kontext kreativ, selbstbewusst, entscheidungsfreudig und so vieles mehr sein. Für mich ist es aber wichtig, einen Sinneswandel herbeizuführen. Ich möchte herausstellen, dass (junge) Eltern trotz möglicher Einschränkungen oder Ausfälle wegen Kinderkrankheiten und dergleichen nicht aufs Abstellgleis gehören. Sie bringen aus meiner Sicht ein wichtiges Skillset, viel Motivation und einen besonderen Blickwinkel mit – alles Fähigkeiten, die eine unfassbare Bereicherung für jedes Team sind.



Über Iris Karge

Als studierte Geographin gestartet, hat Iris sich dann doch mehr in die Richtung der Unternehmenskommunikation weiterentwickelt. Sie hat Berliner Startup-Luft geschnuppert und ihr Interesse für B2B Tech-Themen entdeckt. Iris lebt und liebt das Leben kunterbunt und ist im Wasser in ihrem Element.


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